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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Gerichtsbescheid verkündet am 04.12.2006
Aktenzeichen: 1 K 351/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

1 K 351/03

Einkommensteuer 1996 und 1997

In dem Rechtsstreit ...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Axel Schmidt-Liebig als Vorsitzender und Berichterstatter

sowie die Richter am Finanzgericht Dr. Peter Bilsdorfer und Dr. Roberto Bartone

am 4. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger erzielte als Diplombetriebswirt bis zum 28. Februar 1995 bei der C GmbH - künftig: GmbH - und ab dem 21. August 1995 beim D Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Bl. 33). Der Kläger war am Stammkapital der 1989 gegründeten GmbH mit 8.500 DM (12,5%) beteiligt. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger Aufwendungen für Bürgschaften und Darlehen für die GmbH als Werbungskosten von seinen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann.

Das Stammkapital der GmbH i.H.v. 68.000 DM wurde zunächst von vier einander fremden Gesellschaftern mit Anteilen i.H.v.

8.500 DM (12,5%),

8.500 DM (12,5%),

34.000 DM (50%) und

17.000 DM (25%)

gehalten. Im Juni 1994 wurde das Stammkapital bei gleichzeitiger Aufnahme von zwei weiteren fremden Gesellschaftern von 68.000 DM auf 150.000 DM erhöht. Die sechs Gesellschafter waren danach am Stammkapital mit

8.500 DM (5,67%),

8.500 DM (5,67%),

34.000 DM (22,66%),

49.000 DM (32,66%),

25.000 DM (16,67%) und

25.000 DM (16,67%)

beteiligt. Die GmbH hat 1995 Konkurs angemeldet (Bl. 6ff).

Im April 1992 übernahm der Kläger für die GmbH gegenüber der E-Bank eine Bürgschaft, auf die er im März 1996 3.135,33 DM gezahlt hat (Bl. 23f, 46). Des Weiteren übernahm er im August 1994 für die GmbH eine Bürgschaft gegenüber der F-Bank, auf die er im Februar 1996 11.560,- DM geleistet hat (Bl. 21f., 44f.).

Zudem vereinbarte der Kläger im Januar 1994 mit der E-Bank ein Darlehen über 16.000 DM, das zur "Finanzierung Gesellschaftereinlage zur Gutschrift auf dem Konto der GmbH" diente. Die monatlichen Raten für Zins und Tilgung i.H.v. 400,- DM wurden bis einschließlich Februar 1995 von der GmbH, danach vom Kläger beglichen (Bl. 13ff.).

In seinen Einkommensteuererklärungen 1996 und 1997 machte der Kläger im Hinblick auf diese Vorgänge Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 15.327 DM und 5.042 DM geltend. Bei der Durchführung der Veranlagungen hat der Beklagte diese Beträge nicht als Werbungskosten anerkannt und am 16. Dezember 1997 und 16. September 1999 dementsprechende Einkommensteuerbescheide erlassen.

Nach der erfolglosen Durchführung von Einspruchsverfahren erhob der Kläger am 29. Oktober 2003 Klage. Er beantragt sinngemäß (Bl.1),

unter Änderung der Bescheide vom 16. Dezember 1997 und 16. September 1999, beide in Form der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2003, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und zwar

1996 i.H.v. 19.495 DM und

1997 i.H.v. 5.041 DM

festzusetzen.

Die Ursache der Bürgschaftsübernahmen habe in der Sicherung seines Arbeitsplatzes, nicht in der Kapitalbeteiligung gelegen (Bl. 2 f., 43). Schon die Höhe der Verpflichtungen von insgesamt 55.000 DM zeige, dass diese nicht der Kapitalbeteiligung von 8.500 DM gedient habe (Bl. 42). Im Übrigen habe dem Kläger die sofortige Entlassung gedroht, wenn er die Bürgschaft nicht übernommen hätte (Bl. 18 Rbh). Das Darlehen bei der E-Bank i.H.v. 16.000 DM sei ein Darlehen für den Arbeitgeber (Bl.42).

Die zusätzlichen Werbungskosten setzten sich für 1996 wie folgt zusammen (Bl. 2, 13 f., 17, 21 f., 23 f.):

 Leistungen auf das Darlehen bei der E-Bank:4.800,00 DM
Bürgschaftszahlung an F-Bank:11.560,00 DM
Leistungen auf das Darlehen bei der E-Bank:3.135,33 DM
 19.495,33 DM

Die Leistungen an die E-Bank in 1997 über 5.041 DM ließen sich mittelbar aus der Jahresbestätigung und Zinsbescheinigung zum 30. Dezember 1996 ableiten (Bl. 2, 14).

Weitere Belege könnten nicht vorgelegt werden, weil der Kläger über keine weiteren Unterlagen verfüge. Aufgrund des langen Zeitraums bis zur Entscheidung im Einspruchsverfahren sei es dem Kläger auch nicht mehr möglich, solche Unterlagen noch zu beschaffen, weil die Aufbewahrungsfristen zwischenzeitlich abgelaufen seien. Dem Kläger sei es als Laien nicht zur Last zu legen, dass er sich nicht rechtzeitig um die Unterlagensicherung gekümmert habe. Die lange Untätigkeit des Beklagten führe dazu, dass eine Glaubhaftmachung durch den Kläger genüge (Bl. 52 f.) und eine Beweiserleichterung zu seinen Gunsten eintrete (Bl. 42).

Der Beklagte beantragt sinngemäß (Bl. 38 f.),

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Bürgschaftsverpflichtungen seien durch die Gesellschafter- und nicht durch die Arbeitnehmerstellung des Klägers veranlasst. Denn ein fremder Arbeitnehmer sei nur in Ausnahmefällen bereit, für seinen Arbeitgeber eine Bürgschaft zu übernehmen. Das Darlehen i.H.v. 16.000,- DM diene erkennbar zur Finanzierung einer Einlage und sei daher ebenfalls durch die Gesellschafterstellung veranlasst. Der wirtschaftliche Verlust nach Konkurs sei als Vermögensverlust des Kapitalstamms zu werten. Der Verlust der Einnahmequelle selbst sei aber nicht steuerbar (Bl. 34).

Eine Ausnahme von diesem GrundSatz 1iege nicht vor. Maßgeblich seien die Verhältnisse bei der Übernahme der Verpflichtungen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger mit 12,5% und damit nicht nur geringfügig an der GmbH beteiligt gewesen (Bl. 38 f.)

Im Übrigen sei der streitige Sachverhalt im Einzelnen stark aufklärungsbedürftig. Die Unklarheiten gingen - unabhängig von der Dauer des Einspruchsverfahrens - zu Lasten des Klägers, der für diese Vorgänge die objektive Feststellungslast trage (Bl. 39 f., 49 f., 55).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Anerkennung der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten abgelehnt, da diese der Gesellschafter-, nicht der Arbeitnehmerstellung des Klägers in der GmbH zuzuordnen sind.

1. Nach § 9 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dieser Begriff gilt für alle Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Darunter sind Aufwendungen zu verstehen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Erforderlich ist, dass objektiv ein Zusammenhang der Aufwendungen mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und sie subjektiv zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit getragen werden (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BStBl. II 1981, 368).

a. Betreffen die Aufwendungen eines Arbeitnehmers den Erwerb einer Beteiligung an seiner Arbeitgeberin, so ist dem Einkommensteuergesetz keine ausdrückliche Regelung zu entnehmen, ob diese Aufwendungen den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit oder aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind.

Nach der Rechtsprechung des BFH sind derartige Aufwendungen nicht ohne Weiteres den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen, weil sie im Allgemeinen nicht unmittelbar mit diesen Einkünften, sondern mit solchen aus Kapitalvermögen im Zusammenhang stehen, selbst wenn damit auch die Arbeitnehmertätigkeit gefördert wird (BFH vom 21. April 1961 VI 158/59 U, BStBl III 1961, 431 ). Insbesondere bei Schuldzinsen für Kredite, die der Arbeitnehmer einer Kapitalgesellschaft für die Finanzierung von Anschaffungskosten einer Beteiligung an dieser Gesellschaft aufwendet, ist meist davon auszugehen, dass die Zinsaufwendungen grundsätzlich nicht durch den Beruf des Steuerpflichtigen, sondern durch die angestrebte Gesellschafterstellung veranlasst und deshalb im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind.

Das gilt gleichermaßen, wenn sich der Steuerpflichtige an der Kapitalgesellschaft nicht nur in Erwartung der Ausschüttung von Gewinnen beteiligt, sondern auch, um durch die Zuführung von Kapital den Fortbestand der Gesellschaft und damit gleichzeitig seinen eigenen Arbeitsplatz zu erhalten. Denn der wirtschaftliche Zusammenhang der Aufwendungen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen steht in solchen Fällen regelmäßig im Vordergrund und verdrängt die Beziehung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dieser vorrangige Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige an seiner Arbeitgeberin beteiligt, um dadurch eine höher dotierte Position zu erlangen (ständige Rechtsprechung des BFH; z.B. Urteil vom 5. April 2006 IX R 111/00, BStBl. II 2006, 654 m.w.N.). Ein Arbeitnehmer kann den (wirtschaftlichen) Verlust seiner Beteiligung an einer GmbH selbst dann nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen, wenn seine Beteiligung am Stammkapital der GmbH Voraussetzung für seine Beschäftigung als Arbeitnehmer der GmbH war (BFH vom 12. Mai 1995 VI R 64/94, BStBl. II 1995, 644).

b. Nur ausnahmsweise hat die Rechtsprechung angenommen, dass ein Arbeitnehmer mit dem Erwerb einer Beteiligung nicht die mit der Stellung als Gesellschafter verbundenen Rechte, sondern nahezu ausschließlich die Sicherung seines bestehenden oder die Erlangung eines höherwertigen Arbeitsplatzes erstrebt. Das kann insbesondere bei negativer Überschussprognose und damit erkennbar fehlender Absicht zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen aus einer solchen Beteiligung der Fall sein (s. BFH vom 12. Mai 1995 a.a.O.; FG Hamburg, Urteil vom 8. März 2002 II 424/00, EFG 2002, 962).

Die im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft auftretenden Verluste können grundsätzlich nur im Rahmen des § 17 EStG berücksichtigt werden. Diese Vorschrift kommt vorliegend allerdings bereits deshalb nicht zur Anwendung, weil der Kläger an der GmbH nicht wesentlich beteiligt i.S.d. § 17 EStG (d.h. "zu mehr als einem Viertel") gewesen ist.

c. Entsprechendes gilt für die Übernahme von Bürgschaften oder Darlehen durch an der Gesellschaft beteiligte Arbeitnehmer zugunsten der Gesellschaft. Hier wie dort ist für die Frage nach der Veranlassung durch das Gesellschafts- oder durch das Arbeitsverhältnis maßgebend auf die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls (im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft oder des Darlehens) abzustellen. Die Höhe der Beteiligung (unbedeutend oder nicht unbedeutend) ist - neben anderen - nur ein wesentliches Sachverhaltselement mit Indizwirkung hinsichtlich des Veranlassungszusammenhangs, das im Rahmen der Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls zu würdigen ist (BFH vom 10. Februar 2005 IX B 169/03, BFH/NV 2005, 1057).

2. Unter Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze sind die streitigen Aufwendungen im Entscheidungsfall der Gesellschafterstellung des Klägers und nicht seiner Arbeitnehmerstellung zuzuordnen:

Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer nicht bereit, Bürgschaften oder Darlehn zugunsten seines ihm fremden Arbeitgebers zu übernehmen. Der Erhalt seines Arbeitsplatzes veranlasst ihn allenfalls, ggf. auf rückständigen Lohn zu verzichten oder zu einem niedrigeren Arbeitslohn tätig zu sein, wenn dies in einer extremen Notlage des Arbeitgebers von arbeitsplatzerhaltender Bedeutung ist.

Dagegen ist es durchaus üblich, dass Gesellschafter einer GmbH - unabhängig davon, ob sie Arbeitnehmer der Gesellschaft sind oder nicht - Bürgschaften für diese übernehmen oder Darlehen zur Vornahme entsprechender Einlagen aufnehmen, wenn die Gläubiger der GmbH dies fordern.

Der Kläger war stets mehr als unerheblich an der GmbH beteiligt. Als er die Bürgschaft gegenüber der E-Bank (1992) und das Darlehn bei der E-Bank (Januar 1994) aufnahm, verfügte er über 12,5% des Stammkapitals der GmbH. Da keiner der vier einander fremden Gesellschafter über die Mehrheit verfügte, war es ihm damit möglich, auf die Entscheidungen der GmbH einen nicht unerheblichen Einfluss zu nehmen.

Hieran änderte sich durch die Aufnahme der neuen Gesellschafter und die Erhöhung des Stammkapitals im Juni 1994 nichts Grundlegendes. Mit seinem Anteil von 5,67%, den er ab diesem Zeitpunkt inne hatte, konnte der Kläger nach wie vor bei entsprechenden Entscheidungssituationen als "Zünglein an der Waage" Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen nehmen.

Aufwendungen, die der Kläger zugunsten der GmbH getätigt hat, waren mit rd. 55.000 DM - gemessen an dem Kapitalanteil i.H.v. 8.500 DM - nicht so hoch, dass als Grund hierfür nur seine Arbeitnehmerstellung in Betracht käme. Der Beklagte weist überdies zu Recht darauf hin, dass für eine solche Betrachtung nicht der Nominal-, sondern der Verkehrswert der Beteiligung maßgeblich ist. Dieser kann durchaus höher gelegen haben. Die GmbH war auf dem Gebiet der Hard- und Software tätig und betrieb damit ein Unternehmen im Bereich der neuen elektronischen Medien. Der Geschäftswert dieser Unternehmen ist in aller Regel von der Einschätzung der Zukunftschancen abhängig. Im Juni 1994 haben ein bisheriger und zwei neue Gesellschafter die Aussichten des Unternehmens so positiv eingeschätzt, dass sie bereit waren, das Stammkapital um 82.000 DM aufzustocken und damit mehr als zu verdoppeln. Es ist also davon auszugehen, dass - zumindest bis einschließlich 1994 - bedeutsame Hoffnungen und Erwartungen in das Unternehmen gesetzt worden sind.

Das Arbeitsverhältnis, das der Kläger bei der GmbH inne hatte, schien finanziell nicht sonderlich attraktiv. Ausweislich der Lohnsteuerkarten bezog er von der GmbH 1994 einen Bruttoarbeitslohn i.H.v. 47.424 DM und 1996 als Arbeitnehmer des D solchen von 76.918 DM.

Die Behauptung des Klägers, er wäre ohne die Bürgschaftsübernahme "sofort entlassen" worden, ist weder nachgewiesen noch arbeitsrechtlich nachvollziehbar.

3. Die Klage war demnach als unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO kam nicht in Betracht. Der Senat hielt im Kosteninteresse des Klägers eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid für angemessen (§ 90a FGO).



Ende der Entscheidung

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